Professor Dr. Harald F.O. von Korflesch leitet an der Universität Koblenz-Landau das Zentrale Institut für Scientific Entrepreneurship & International Transfer (ZIFET). In internationalen Projekten und in der Forschung beschäftigt sich das ZIFET mit verschiedenen Aspekten von International Entrepreneurship und den Chancen, die das Konzept bietet. Wir haben mit dem Professor für Informationsmanagement, Innovation, Unternehmertum und Organisationsgestaltung darüber gesprochen, wie International Entrepreneurship die Innovationskraft und Gründungskultur am Oberrhein befeuern kann.

Professor Dr. Harald F.O. von Korflesch, Gründer und Direktor des Zentralen Instituts für Scientific Entrepreneurship & International Transfer (ZIFET) an der Universität Koblenz-Landau.
Professor von Korflesch, das Konzept International Entrepreneurship ist vielleicht nicht jedem geläufig: Was verbirgt sich denn dahinter?
International Entrepreneurship beschäftigt sich mit allen gängigen Facetten der Unternehmensgründung unter der Zusatzperspektive der Internationalisierung. Das kann die Suche nach Investoren auf dem internationalen Markt ebenso betreffen wie die Frage, ob man sein Team international aufstellt. Internationalisierung bedeutet somit nicht nur, dass ein Unternehmen auf einem ausländischen Markt aktiv wird. Oft findet Internationalisierung im Unternehmen statt, ohne dass es sich im klassischen Sinne internationalisieren muss. So übernehmen Unternehmen Verhaltensweisen, die im Silicon Valley, dem Gründer-Mekka weltweit, ihren Ursprung hatten und mittlerweile in der Gründerszene auf dem ganzen Globus gelebt werden. Oder sie nutzen Methoden, wie die an der Stanford University initiierte Methode des Design Thinking, zum Entwickeln neuer und innovativer Ideen. Man könnte in diesen Fällen auch von „International Entrepreneurship@Home“ sprechen.
In KTUR wollen wir den Wissens- und Technologietransfer (WTT) in der Oberrheinregion über Landesgrenzen hinweg besser aufstellen und intensivieren. Was kann International Entrepreneurship dazu beitragen?
Die trinationale Region hat dann einen Vorteil im WTT, wenn ein vertrauensbasiertes Verhältnis zwischen den Akteuren aufgebaut wurde, man sich also kennt und anfängt, gemeinsam Dinge voranzutreiben. Genau das ist das Verständnis von KTUR. Unternehmensgründungen spielen im Kontext von KTUR eine starke Rolle. Um das Potenzial dieser grenzüberschreitenden Region gut auszuschöpfen, sollte das Konzept des International Entrepreneurship in KTUR und der Region fest verankert werden; in dem Sinne, dass jedes Startup der Oberrheinregion direkt die beiden anderen Länder der Region vor Augen hat. Damit es für die Oberrheinregion ganz natürlich werden kann, dass ein sich gründendes Unternehmen gleich trinational denkt, müssen Hürden so niedrig wie möglich gehalten werden, auch ein Ziel von KTUR. Auch sollten Unternehmensgründerinnen und -gründer aus der Region idealerweise immer gemischte Teams aus allen drei Ländern vor Augen haben oder bei Kompetenzen, die fehlen, immer auch über die nationalen Grenzen schauen. Ziel sollte es sein, sich den Vorteil der Internationalität, den die Region und das Konzept des International Entrepreneurship bieten, zu Nutzen zu machen. Es wäre superspannend, wenn wir dazu kämen, so etwas wie „natural international startups“ zu haben, einfach, weil sich in der Oberrheinregion eine Kultur entwickelt hat, im WTT-Kontext trinational zu denken.
Ist International Entrepreneurship ein junges Thema, weil es vielleicht eine neue Gründermentalität gibt, die globaler ausgerichtet ist?
Das Thema an sich ist sicherlich kein ganz neues Thema. Es gab schon immer Startups, die sich irgendwann international aufgestellt haben. Allerdings hat International Entrepreneurship durch die Digitalisierung Schwung bekommen, da wir mittlerweile das Grundverständnis haben, die Welt ist überall erreichbar. Die Komponenten des Internationalen oder Globalen bei Unternehmensgründungen haben in der Tat eine große Aktualität.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich zu internationalisieren?
Üblich ist das in einer Wachstumsphase. Davor ist ein Unternehmensgründer in der Regel mit ausreichend anderen Dingen beschäftigt. Wer sich mit einer erfolgversprechenden Idee selbständig macht und ein Unternehmen gründet, versucht zunächst, im lokalen, regionalen und dann landesweiten Markt Fuß zu fassen. Zum selben Zeitpunkt noch Ressourcen aus anderen Ländern zu koordinieren, ist durchaus herausfordernd. Es könnte aber auch bereits in einer früheren Phase der Gründung spannend sein, den Blick bewusst auf Märkte ins Ausland zu richten, beispielsweise, wenn man konkret Ideen für die Bedarfe dort entwickelt. Das könnte eine Umwelt-Technologie sein, die im eigenen Land nicht gebraucht wird, weil das Problem, welches die Technologie beheben soll, dort nicht existiert, dafür aber in einem anderen Land.
Für wen bietet sich International Entrepreneurship an? Startups, kleine oder mittlere Unternehmen, Selbständige?
Führen wir uns den Lebenszyklus von Startups vor Augen und vergegenwärtigen uns, dass im Durchschnitt die Sinnhaftigkeit, auf einen internationalen Markt zu gehen, vielleicht nach fünf bis sieben Jahren ansteht, dann hat sich das Startup meist schon zu einem kleinen oder mittleren Unternehmen (KMU) entwickelt. Für KMU wie auch Konzerne war Internationalisierung schon immer eine interessante Strategie. Bei Selbständigen hängt es sicherlich von der Dienstleistung ab, die sie anbieten, inwieweit somit der Eintritt in einen ausländischen Markt sinnvoll und attraktiv ist. Während ein Consultant sicherlich problemlos international tätig sein kann, bedeuten ausländische Märkte für einen Handwerker ganz andere Hürden. Allgemein sind immer bürokratische Aspekte, die man nicht kennt, oder ein neues Rechtssystem, welches relevant wird, zu berücksichtigen. In einen neuen Markt einzutreten und sich dort entsprechend zu positionieren, ist am Ende des Tages durchaus teuer und somit immer eine Ressourcenfrage.
In einer Grenzregion wie am Oberrhein hat ein Unternehmer den Exportmarkt quasi vor der Haustür, eigentlich doch eine große Chance, sich neue Märkte zu erschließen?
Eine Grenzregion ist in der Tat ein großer Vorteil. Um Hürden für Unternehmertum über die Grenzen hinweg abzubauen, braucht es politisches Rückgrat und gute Netzwerke, wie wir sie im KTUR-Projekt aufbauen. Durch das enge Vernetzen der Akteure im Bereich Wissens- und Technologietransfer kann man die eigenen Dienstleistungen jeweils auch mit Blick auf die beiden anderen Länder in der Oberrheinregion ausrichten und kann Gründungsinteressierte so beraten, dass sie in ihrem Businessplan immer die gesamte Region mitdenken dürfen. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass eine grenzüberschreitende Region, wie es die Oberrheinregion ist, tatsächlich als Region denkt und nicht in Länderkategorien. Natürlich ist das jeweilige Land daran interessiert, dass ein Startup sich genau in diesem Land gründet, weil dann dort die Steuern gezahlt werden. Hier eine Souveränität und Entspanntheit sowie das nötige Vertrauen und Akzeptanz zu entwickeln, ist durchaus eine Herausforderung, sowohl für KTUR wie die Oberrheinregion selbst.
Welche Aspekte von International Entrepreneurship werden am ZIFET erforscht?
Wir interessieren uns hier insbesondere für Team-Diversität, Diaspora-Entrepreneurship sowie Returnee-Entrepreneurship. Konkret beschäftigen wir uns in unserer Teamforschung mit der Diversität, wovon Internationalität ein Aspekt ist. Unter Diaspora verstehen wir unsere ausländischen Studierenden, die aus anderen Ländern und oftmals aus einem anderen Kulturkreis kommen, und hier in Deutschland, also aus der Diaspora, in ihren Heimatländern Gründungsideen umsetzen. Uns interessieren ihre Motivationen und die Art und Weise, wie sie ihr Gründungsvorhaben umsetzen. Kehren die Studierenden in ihre Heimatländer zurück und bauen dort ein Unternehmen auf, interessiert uns, wie sie mit interkulturellen Überschneidungssituationen in der eigenen Person umgehen. Die Rückkehrer („Returnees“) haben durch ihr Studium in Deutschland unsere Kultur kennengelernt und tragen nach wie vor die Kultur ihres Heimatlandes in sich. Spannend ist dann, wie sie in ihrer täglichen Arbeit mit diesen kulturellen Überlappungen umgehen.
Das ZIFET-Team beschäftigt sich aktuell in zwei internationalen Projekten in Marokko und Ruanda mit International Entrepreneurship: Worum geht es genau?
Das Projekt MUnIE (Maroccan Entrepreneurial University Initiative) hat zum Ziel, die Strukturen und Angebote zweier renommierter Hochschulen in Fès und in Rabat an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anzupassen und diese auf ihrem Weg zu einer Gründeruniversität zu begleiten. Also eine Universität zu werden, die das Thema Entrepreneurship nach innen lebt, eine Gründungskultur schafft, ihre Kursangebote entsprechend schärft und Gründungen fördert. Im Rahmen des Pilotprojektes StArfrica (Startup Germany-Africa) arbeiten wir mit unserem Partner, der University of Rwanda, daran, eine gründungsbezogene Brücke zwischen Deutschland und Afrika zu schaffen. Konkret heißt das: Wir wollen Deutschland attraktiv für ruandische Startups positionieren und gleichzeitig deutsche Existenzgründungen für den Markteintritt in Afrika sensibilisieren, also einen Markteintritt mittels Unternehmensgründung („market entry by entrepreneurship“) erleichtern.
Sind diese Projekte auch für Unternehmen aus der Oberrheinregion spannend?
Auf alle Fälle! Für Unternehmen aus der Oberrheinregion, die Interesse an Unternehmenskooperationen in Marokko haben oder dort selbst gründen wollen, stehen wir als Informationsdrehscheibe gerne zur Verfügung. Wir haben sehr gute Kontakte über unsere beiden Partner-Hochschulen, die Université Euro-Mediterannée de Fès (UEMF) und das Institut Agronomique et Vétérinaire Hassan II (IAV) in Rabat und unterhalten gute Beziehungen zur Außenhandelskammer in Casablanca. StArfrica ist aufgrund der Fokussierung speziell für deutsche Unternehmen der Oberrheinregion spannend. Aber natürlich können Unternehmen aus dem französischen und Schweizer Teil der Region von dem Wissen profitieren, das im Rahmen des Projektes generiert wird.
Professor von Korflesch, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Autorin: Kerstin Theilmann, Copyright Bild: Henriette Kriese.